INTERVIEW
Werkstoff Holz: Die Zukunft des Bauens?
Lorenz Nagel, Geschäftsführer der PRIMUS developments GmbH, erzählt im Interview, wie nachhaltiges Bauen gelingen kann und welche Rolle Holz dabei spielt.
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Mit dem ROCKYWOOD setzt der Projektentwickler PRIMUS developments ein markantes architektonisches Ausrufezeichen im Offenbacher Hafen. Direkt an der Hafenpromenade und in unmittelbarer Nähe zum Main entstand ein innovatives Mikroquartier mit Büroflächen in Holzhybrid-Bauweise, ergänzt durch ein Restaurant, einen Playground und einen Boxclub. Das Projekt vereint modernes Design, nachhaltige Bauweise und kreative Nutzungskonzepte – und überzeugte damit die Jury des Deutschen Immobilienpreises 2024 in der Kategorie „Green Project”.
„Projekte wie ROCKYWOOD zeigen, dass nachhaltiges Bauen ökologisch und ökonomisch zukunftsfähig umgesetzt werden kann – mit reduziertem CO₂-Fußabdruck, niedrigen Betriebskosten und einem durchdachten Lowtech-Konzept.“
Lorenz Nagel: Das Besondere am ROCKYWOOD ist, dass es zeigt, wie nachhaltiges Bauen nicht nur im Wohn-, sondern auch im Gewerbebereich neu gedacht und umgesetzt werden kann. Das Gebäude wurde in modularer Holzbauweise errichtet. Eine Bauweise, die den CO₂-Ausstoß erheblich reduziert und gleichzeitig demonstriert, dass sich mit dem Werkstoff Holz nahezu jede architektonische Anforderung realisieren lässt. Dabei verfolgen wir ein ganzheitliches Kreislaufkonzept: Durch gezielte Nachpflanzungen wird sichergestellt, dass die im ROCKYWOOD verbauten rund 2.600 m³ Holz innerhalb von 40 Jahren vollständig nachgewachsen sind.
Bei diesem Projekt setzen wir zudem auf Zirkularität und ein Lowtech-Konzept. Dadurch senken wir nicht nur den Energiebedarf deutlich, sondern schaffen auch eine hohe Nebenkostensicherheit. Nachhaltige Baustoffe, nachwachsende Rohstoffe und Lowtech verbinden sich hier zu einem zukunftsfähigen, ganzheitlichen Konzept.
Lorenz Nagel: ROCKYWOOD setzt auf einfache, energieeffiziente Technik statt auf aufwendige Systeme. Die Lowtech-Gebäudetechnik basiert auf einem kabellosen Bluetooth-Netzwerk zur Steuerung von Lüftung und Temperatur, was eine präzise Raumklimakontrolle ermöglicht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Klimaanlagen orientiert sich die Kühlung an der Außentemperatur, um Energie zu sparen. Ergänzt wird das Konzept durch Deckenventilatoren, die das subjektive Temperaturempfinden steigern, sowie eine Nachtkühlung, die das Gebäude auf effiziente Weise klimatisiert.
Lorenz Nagel: In unserem Projekt bestehen rund drei Viertel des Gebäudes aus Holzmodulen und ein Viertel aus Beton. Ein wesentliches Merkmal unserer Holzhybrid-Bauweise ist der sortenreine Einsatz der Materialien: Wo Holz verwendet wird, verbauen wir ausschließlich Holz – und wo Beton erforderlich ist, ausschließlich Beton. Wir vermischen die Baustoffe nicht. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass wir die Materialien später sortenrein rückbauen und in den Stoffkreislauf zurückführen können – ein wichtiger Aspekt im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
Unsere Holzmodule sind dreidimensionale Raumelemente mit Decken, Wänden, Stützen und Trägern, die vollständig vorgefertigt aus der Produktionshalle kommen. Auf der Baustelle werden sie anschließend wie Lego-Steine zusammengesetzt – ganz ohne Verschrauben oder Vergießen. Dadurch lässt sich die Bauzeit im Vergleich zur konventionellen Bauweise um bis zu 50 Prozent verkürzen.
Ein weiterer großer Vorteil liegt in der Qualitätssicherung: Da die Module unter kontrollierten Bedingungen in der Halle gefertigt werden, erreichen wir eine konstant hohe Ausführungsqualität. Das sorgt für mehr Planungssicherheit, reduziert Schnittstellenprobleme und steigert insgesamt die Effizienz des Bauprozesses.
Die dreidimensionalen Holzmodule bestehend aus Decken, Wänden, Stützen und Trägern werden vollständig in der Produktionshalle vorgefertigt.
Auf der Baustelle werden die Module wie Lego-Steine zusammengesetzt.
Es ist kein Verschrauben oder Vergießen der Elemente nötig.
„Mit der Holzmodul-Bauweise verkürzen wir die Bauzeit im Vergleich zur konventionellen Bauweise um bis zu 50 Prozent.“
Lorenz Nagel: Ja, richtig – beziehungsweise ja, aber nicht nur. Der Name ROCKYWOOD vereint die zwei zentralen Baumaterialien des Projekts: „Rocky“ steht für den massiven Betonbau, „Wood“ für den Gebäudeteil in nachhaltiger Holzbauweise. Doch der Name trägt auch eine emotionale Bedeutung. Im Erdgeschoss befindet sich ein wichtiges Sozialprojekt – ein Boxclub, der schon lange auf dem Gelände beheimatet ist und für die nächsten 20 Jahre mietfrei im Neubau Platz gefunden hat. Dieser Ort ist weit mehr als ein Sportstudio, er prägt das soziale Miteinander vieler Jugendlicher in Offenbach. Die Verbindung zur Filmfigur Rocky Balboa, die für Durchhaltevermögen und soziale Aufstiegschancen steht, findet sich auch in der Architektur des Playgrounds wieder – nämlich in einer Treppe, die an die berühmte Filmszene erinnert.
Das Projekt ROCKYWOOD – ein markantes architektonisches Ausrufezeichen im Offenbacher Hafen.
Lorenz Nagel: Ja, und das sollten sie auch. Projekte wie ROCKYWOOD zeigen, dass nachhaltiges Bauen ökologisch und ökonomisch zukunftsfähig umgesetzt werden kann – mit reduziertem CO₂-Fußabdruck, niedrigen Betriebskosten und einem durchdachten Lowtech-Konzept, das Ressourcen und Budgets schont. In der Branche beobachten wir bereits ein Umdenken: Aufwendige Technik und Anforderungsstandards werden zunehmend hinterfragt – nicht nur von Planern und Ausführenden, sondern auch von Investoren. Lowtech ist dabei ein Schlüsselthema der Zukunft, weil es nicht nur Energie, sondern auch Kosten spart. Ich bin überzeugt, dass sich solche Konzepte dauerhaft durchsetzen werden.
Lorenz Nagel: Auch 2025 steht für uns ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Aktuell arbeiten wir an zwei wegweisenden Projekten: In Berlin stellen wir im Auftrag des Bundes ein außergewöhnliches Bürogebäude fertig – den Interimsitz des Bundespräsidialamts. Und in Rostock realisieren wir die neue Zollhochschule. Dort entsteht mit über 1.000 Holzmodulen Europas größtes Holzmodulprojekt. Es umfasst neben der Hochschule auch rund 620 Studentenapartments in Holzmodulbauweise. Solche Projekte zeigen, wie innovatives und nachhaltiges Bauen heute aussehen kann – und wir freuen uns, Teil dieser Entwicklung zu sein.
Die PRIMUS developments GmbH gewann den Deutschen Immobilienpreis 2024 in der Kategorie „Green Project“.
Lorenz Nagel: Der Deutsche Immobilienpreis ist für uns ein Gradmesser der Branche. Mit ROCKYWOOD hatten wir ein außergewöhnliches Projekt, das ESG-Kriterien wie Energieeffizienz, Zirkularität, Lowtech und soziales Engagement vereint. Wir sahen darin eine echte Chance und freuen uns umso mehr, dass wir gewonnen haben. Die Auszeichnung macht tolle Projekte und engagierte Menschen sichtbar und würdigt nicht nur unser Unternehmen, sondern vor allem die großartige Leistung aller Beteiligten.
„Der Preis würdigt nicht nur unser Unternehmen, sondern vor allem die großartige Leistung aller Beteiligten. Und unsere Mieterinnen und Mieter freuen sich, in einem Gebäude zu sein, das solch eine Auszeichnung erhalten hat.“
Lorenz Nagel: Die Resonanz auf Social Media war enorm, als wir die Auszeichnung geteilt haben – das hat für große Aufmerksamkeit gesorgt. Besonders schön ist, dass sich auch unsere Mieterinnen und Mieter richtig darüber freuen, in einem Gebäude zu sein, das solch eine renommierte Auszeichnung erhalten hat.
PRIMUS developments ist ein 1999 gegründeter Projektentwickler mit Hauptsitz in Hamburg und weiteren Standorten in Düsseldorf und Berlin. Das Unternehmen realisiert Immobilienprojekte, die hohen architektonischen, ökonomischen und ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Im Mittelpunkt stehen modulare Bauweisen, der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und durchdachte Lowtech-Konzepte – für langlebige, kreislauffähige und energieeffiziente Gebäude im Wohn- und Gewerbebereich.