INTERVIEW
Einblicke in die Arbeit eines Commercial Maklers
Interview mit Christoph Wissing von Von Poll Commercial Hamburg
8 Minuten Lesedauer
INTERVIEW
8 Minuten Lesedauer
Wie arbeitet ein Commercial-Makler? Inwiefern unterscheidet sich die Objektvermarktung in den Bereichen Commercial und Residential? Und wie stellt man sich im Zinshaus-Segment auf die aktuelle Marktsituation ein? Diese Fragen beantwortet uns Christoph Wissing von Von Poll Commercial Hamburg.
Wer an den klassischen Immobilienmakler denkt, hat vielleicht nicht unbedingt den Beruf des Commercial-Beraters vor Augen. Diese Sparte unserer Branche hält sich oftmals bedeckt, was ihr Business angeht. Umso spannender ist es, dass Christoph Wissing, Geschäftsführer von Von Poll Commercial Hamburg, nun für uns in einem Interview ein paar kleine Geheimnisse seines Arbeitsalltags gelüftet hat.
Christoph Wissing: „Ein großer Unterschied besteht darin, dass die Kunden von Residential-Objekten meistens nur einmal kaufen: Das heißt, die Interessenten wollen ein Haus oder eine Wohnung kaufen – entweder für sich selbst, für die Kinder oder als Altersvorsorge. Verständlicherweise ist das eine emotionale Angelegenheit. Nach dem Deal ist der Kunde allerdings in den meisten Fällen weg. Ein Folgegeschäft wird es nur selten geben. Bei uns ist das anders: Kauft ein Kunde zwei oder drei Zinshäuser, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch weitere erwerben wollen. Wir vermarkten den Großteil unserer Commercial-Produkte also fast ausschließlich über vorgemerkte Kunden. Auch die Motivation zum Kauf/Verkauf ist eine andere: Bei uns geht es um Wirtschaftlichkeit, um Abschreibungsmöglichkeiten oder darum, einen zweiten Exit zu haben, zum Beispiel die Objekte in einzelne Einheiten aufzuteilen. Ein weiterer Unterschied ist die Vielfalt: Wir agieren mit Hotels, Zinshäusern, Gewerbeflächen, Grundstücken, Projektentwicklungen, Büroflächen, Pflegeimmobilien, Industrieflächen… Das ist enorm facettenreich und komplex. Die Einwertung eines Hotels oder Immobilien-Portfolios im zweistelligen Millionenbereich erfordert Expertise, über die ein Residential-Makler so nicht verfügen muss. Die Prüfung eines Projekts anhand der technischen und kaufmännischen Due Dilligence nimmt viel Zeit in Anspruch. Im Segment der Wohnimmobilien weiß man da eher, was auf einen zukommt. Die Schritte stehen fest: Anfragen, Besichtigungen, Kaufvertrag und Notar. Alles läuft nach einem ähnlichen Schema ab. Wir müssen mal ein Einkaufszentrum verkaufen, mal Pachtverträge aufsetzen oder viele Mietverträge für viele Einheiten verhandeln. So wird es nie langweilig.“
Wir vermarkten den Großteil unserer Commercial-Produkte fast ausschließlich über vorgemerkte Kunden.
Christoph Wissing, VON POLL IMMOBILIEN
Christoph Wissing: „Unsere Kunden sind speziell – unsere Makler dementsprechend auch. (Lacht) Ich möchte sagen: Commercial-Kunden sind in dem Sinne anders als die meisten Residential-Käufer, weil sie sich mit Immobilien ein Unternehmen aufbauen bzw. aufgebaut haben. Es sind gestandene Persönlichkeiten, die viel erreicht haben und mit sehr großen Summen umgehen. Für jemanden, der in den 80er Jahren mehrere Zinshäuser auf der Eppendorfer Landstraße (Hamburg) gekauft hat, brauchst du einen anderen Berater als für einen 40-Jährigen, der sein Fitness-Startup veräußert hat und nun sinnvoll und lukrativ Geld anlegen möchte. Jeder meiner Mitarbeiter ist bereits seit 15 bis 20 Jahren im Verkauf von Commercial-Projekten tätig. Jeder ist ein Spezialist und absoluter Vollprofi. Sie haben die unterschiedlichsten Charaktere, Lebensläufe und Hobbys. Da ist für jeden Klienten der passende Ansprechpartner dabei. Und das muss auch so sein: Wir bauen langjährige Beziehungen zu unseren Kunden auf, die uns sehr sensible Daten anvertrauen.
Sie glauben nicht, welche Abenteuer und Unwägbarkeiten in unserem Bereich passieren, bevor es zur Vertragsunterschrift kommt! Eine Kundin, die mehrfach nicht zum Notartermin erschienen ist. Ein Herr, der mich nur als Makler akzeptieren wollte, wenn er mir zuvor aus der Hand lesen darf… Da kommen einige Anekdoten zusammen. Deshalb sollte man gerade als Commercial-Makler flexibel, ein guter Netzwerker und Menschenfreund mit viel Fingerspitzengefühl sein. Auf all das muss man Lust haben. Darüber hinaus sind wir wie Residential-Makler ständig unterwegs, unterhalten uns und haben Spaß daran. Auch haben wir keine „normalen“ Arbeitszeiten oder sitzen von neun bis fünf am Rechner.“
Gerade als Commercial-Makler sollte man flexibel, ein guter Netzwerker und Menschenfreund mit viel Fingerspitzengefühl sein.
Christoph Wissing, VON POLL IMMOBILIEN
Christoph Wissing: „Oft handelt es sich bei unseren Kunden um Familiy Offices, institutionelle Anleger, Rentenfonds, Versicherungen oder einfach den erfolgreichen Unternehmer, der etwas für seinen Lebensabend oder seine Kinder tun will.“
Christoph Wissing: „Viele Kunden sind zurückhaltend und möchten nicht, dass ihr Objekt offen am Markt angeboten wird. Das hat verschiedene Gründe: Die Branche ist klein, man kennt sich und viele Verkäufer wollen verhindern, dass andere – zum Beispiel Nachbarn, Geschäftspartner etc. – vom Verkauf verfrüht erfahren, weil das zu unschönen Spekulationen führen könnte. Oder sie fürchten, dass ihr Objekt „verbrannt“ wird – also zu lange am Markt angeboten wird, ohne dass ein passender Käufer gefunden und dadurch der Preis gedrückt wird. Natürlich wissen wir um die Vorteile der professionellen Vermarktung auf Immobilienportalen und nutzen sie: Mit den Objekten, die wir online stellen dürfen, verstärken wir unsere Sichtbarkeit und unser Branding als kompetenter Commercial-Makler am Hamburger Markt. Und über genau solche Anzeigen werden wir regelmäßig von potenziellen Käufern kontaktiert, kommen so mit ihnen ins Gespräch und können diesen dann eröffnen, was wir noch im Portfolio haben. Kurz um: Immobilienportale nutzen wir primär zur Neukunden-Gewinnung.“
Der studierte Diplom-Bauingenieur merkte früh, dass Immobilien auch außerhalb der Baustelle seine Leidenschaft sind und hängte kurzerhand einige Semester für den Master of Science an. Ein Wochenendtrip führte ihn schließlich nach Hamburg, wo er heute mit seiner Familie lebt. Nach 10 Jahren als Consultant bei E&V Commercial, wechselte er 2015 als Lizenzpartner zu Von Poll und ist hier seit 2019 Geschäftsführer.
Christoph Wissing: „Natürlich merken auch wir Veränderungen: Wir hören uns regelmäßig um und sprechen mit Fachleuten, die direkt am Markt sind wie beispielsweise Banken: Im Residential-Bereich ist die Anzahl der Deals zurückgegangen, immer mehr Notar-Termine kommen nicht zustande. Die Immobilienpreise sinken. Die höheren Zinsen machen die Wohn- und Geschäftshäuser von Kapitalanlagen oftmals zu Abschreibungsobjekten, weil kaum noch eine Rendite vorhanden ist. Aber: Geld schläft nicht! Wir stellen uns auf diese Veränderungen ein, indem wir neue Kundenkreise erschließen, die nach wie vor Kaufdruck haben. Aktuell treten Interessenten mit mehr Eigenkapital in den Fokus. Jetzt agieren wir mit Personen, die sehr überlegt handeln und dadurch in der Vergangenheit zu langsam waren und keinen Deal abgeschlossen haben.“
Christoph Wissing: „Genau, Kundenbindung ist der entscheidende Part in unserem Geschäft sowie eine ehrliche und faire Beratung. Wie ich vorhin erzählt habe: Unsere Kunden kaufen mehrfach. Deshalb bauen wir unsere Beziehung langfristig über viele Jahre auf. Mit einem meiner Kunden habe ich beispielsweise fünfzehn Jahre lang alle zwei Wochen telefoniert – einfach gesprochen oder mich getroffen. Mittlerweile ist er leider verstorben und ich spreche mit seiner Witwe sowie der Erbengemeinschaft… Wir halten den Kunden unsere Treue. Oft bekommt man dafür nichts, außer ein nettes Gespräch. Der Kunde wird dein Freund und vertraut dir. Man hört dies, man hört jenes, aber irgendwann kommt es dann wieder zu einem entscheidenden Deal.“
Christoph Wissing: „Was das anbelangt, sind wir tatsächlich anders. Wir benötigen selten Vermarktungsunterlagen wie Broschüren oder Projekt-Websites. Unser Bereich ist weniger emotional und verlangt deshalb oft keine ausgefeilte Marketingstrategie. Natürlich bereiten auch wir unsere Unterlagen akkurat vor – wobei es bei uns maßgeblich um Zahlen, Fakten und Mieterlisten geht. Auch Social Media ist ein Thema, dem wir uns mehr und mehr widmen. Schließlich sind auch hier unsere Kunden unterwegs.“
Stellen Sie auch gerade erstaunt fest, wie vielschichtig und faszinierend der Beruf des Maklers doch ist? Commercial-Berater sind wahre Meister der Kommunikation und dabei wiederum zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet. Über Jahre bauen sie Geschäftsbeziehungen auf und stehen mit ihrem beachtlichen Kundenstamm und einem großen Netzwerk an Fachleuten im permanenten Austausch. Mit unglaublicher Geduld, viel Optimismus und noch mehr Energie verfolgen sie wie Profi-Athleten ihr Ziel. Und was sehen Sie noch? Sich selbst: Denn in jedem Immobilienprofi steckt ein Stück der Arbeit und des Enthusiasmus von Christoph Wissing. Unser Gespräch kann für Sie Inspiration, Motivation oder einfach die Erinnerung daran sein, wie fleißig Sie sind, wie strategisch gekonnt Sie sich durch den Arbeitsalltag manövrieren. Und jetzt? Nun heißt es raus auf die Straße. Lassen Sie lächelnd Ihren Charme sprühen – das ist Ihre Berufung und Ihr Erfolgsgeheimnis.
Von Poll Immobilien zählt zu den größten Immobilienmaklern Europas. Mit einem Netzwerk aus über 1.500 Kollegen und mehr als 350 Shops verfügt Von Poll über ausgezeichnete Kontakte zu kaufkräftigen Interessentenkreisen. Der Makleralltag spielt sich in der Hamburger Altstadt ab, in der Neuen Grönigerstraße. Herr Wissings Team besteht aus sechs Vollblut-Gewerbemaklern, mit denen er seit vielen Jahren zusammenarbeitet.
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