MARKTGESCHEHEN
Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche
Vor welchen Herausforderungen steht der Immobiliensektor in puncto Nachhaltigkeit und welche Potenziale stecken in der Branche?
9 Minuten Lesedauer
MARKTGESCHEHEN
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Klimawandel und Nachhaltigkeit gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. Mit dem Pariser Abkommen und dem Green Deal der Europäischen Kommission wurden bereits konkrete Ziele formuliert. Viele große Unternehmen haben sich dem Klimaschutz verschrieben und machen Nägel mit Köpfen. Apple beispielsweise hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 komplett klimaneutral zu arbeiten.
Auch in der Immobilienbranche ist Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt. Nicht zuletzt durch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz wird das Thema auf ein neues Level gehoben. Für Sun Jensch, Vorsitzende der Geschäftsführung ZIA Service GmbH und ZIA Akademie sowie Ambassador der Kategorie Green Project des Deutschen Immobilienpreises, ist der Einsatz der Immobilienunternehmen für mehr Umweltschutz nicht nur aus ökologischen Gründen wichtig: „Wie wir bauen, bestimmt wie wir leben. Die Immobilienwirtschaft schafft Lebens- und Arbeitsräume und das wird so oft nicht wertgeschätzt. Daher ist Nachhaltigkeit für mich auch ein Thema der Imagebildung für die Branche.“
Wie wir bauen, bestimmt wie wir leben.
Sun Jensch, Geschäftsführerin ZIA Service GmbH & ZIA Akademie
Laut einer Studie von EY Real Estate und ZIA verursacht der Gebäudesektor hohe Emissionen, die nicht durch nachhaltigen Neubau allein reduziert werden können. Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, muss vor allem für die nachhaltige Bewirtschaftung von bereits errichteten Gebäuden gesorgt werden. Hier steckt das größte Einsparpotenzial.
Bei der in München ansässigen Schwaiger Group ist Klimaschutz in den Unternehmenszielen fest verankert. Der Gewinner des Deutschen Immobilienpreises 2020 in der Kategorie Commercial Player hat die Nachhaltigkeitsstrategie in die Organisation und in die Prozesse erfolgreich integriert und sich auf die Revitalisierung von Immobilien spezialisiert. Die Schwaiger Group hat beim Gewerbe- und Büroquartier Centro Tesoro im Münchner Osten ein ökologisches Redevelopment vorgenommen und den Energieverbrauch des Gebäudes optimiert. Mit Recycling-Baumaterial, überdurchschnittlichen Dämmwerten und Ökostrom aus der größten innerstädtischen Fotovoltaikanlage gelingt es dem Unternehmen, Ökologie und Ökonomie erfolgreich zu verbinden.
„Wir haben die Vision, den Immobilienbestand in eine ökologische und digitale Zukunft zu heben. Dass Gewerbeimmobilien teils nach gerade einmal zweieinhalb Jahrzehnten abgerissen werden, ist nicht nur aus energetischen und ökologischen Gesichtspunkten nachteilig, sondern auch ökonomisch fragwürdig. Damit sich eine umfassende Revitalisierung lohnt, müssen Immobilienunternehmen gezielt entsprechende Kompetenzen im eigenen Haus aufbauen. Wir haben es mit unserem Team geschafft, mindestens genauso kosteneffizient bei gleichzeitig höherer Ergebnisqualität als im Neubau zu arbeiten. Das erfordert Zeit und vor allem viel Erfahrung. Wir können heute durch den Erhalt der grundlegenden Gebäudestruktur rund 40 Prozent der Kosten einsparen. In Sachen CO2-Fußabdruck schlagen die Einsparungen sogar mit 80 bis 90 Prozent zu Buche. In der Betriebsphase sehen unsere mietenden Unternehmen die ökonomischen Vorteile beim ersten Blick in die Abrechnung. Dank verbesserter Gebäudehülle, grünem Direktstrom von der eigenen PV-Anlage und intelligenter Gebäudetechnik können wir erheblich Energie sparen.“
Michael Schwaiger, Geschäftsführer der Schwaiger Group GmbH
Die Schwaiger Group hat zusammen mit den Stadtwerken München (SWM) auf dem Centro Tesoro die größte innerstädtische Aufdach-Solaranlage realisiert. In Kooperation mit dem MVG entstand eine Bike-Sharing-Station.
Die Digitalisierungsstudie von EY Real Estate und ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) zeigt zudem, dass fehlende Marktstandards und eine lückenhafte Datenerhebung das Erreichen der Klimaziele erschweren. So gaben 84 Prozent der Befragten an, dass Digitalisierung der Schlüssel für ein professionelles nachhaltiges Management ist.
„Für ein nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften braucht es die Digitalisierung, weil wir mit einer Datentransparenz effizienter, umweltschonender, kommunikativer und vernetzter in den Lieferketten werden können. Alles zusammen zu denken, ist aktuell noch eine Aufforderung. Es sollte aber selbstverständlich sein, weil man nur dann die Menschen und die Zukunft mitnimmt.“ Sun Jensch, Vorsitzende der Geschäftsführung ZIA Service GmbH und ZIA Akademie
Angesichts des verstärkten Einsatzes von Sensorik und Gebäudemanagementsystemen werden Daten in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Die Herausforderung wird die Harmonisierung und Demokratisierung (Transparenz) der Daten sein, die noch oft auf unterschiedliche Art und Weise erhoben werden und in verschiedenen digitalen Formaten vorliegen.
Wann gilt eigentlich ein Gebäude als „nachhaltig“? Das ist noch nicht einheitlich geregelt. Manche Projektentwickler verstehen darunter ausschließlich die Energieeffizienz, andere Unternehmen schließen soziale Kriterien mit ein. Orientierung bieten Gütesiegel wie zum Beispiel das Siegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Insbesondere für institutionelle Investoren können die Zertifikate von Interesse sein und bei der Kaufentscheidung helfen. Es ist davon auszugehen, dass Investoren klimaneutrale Objekte meist zu einem höheren Preis verkaufen können als Immobilien mit größerem ökologischem Fußabdruck. Außerdem können für nachhaltige Objekte höhere Mieten durchgesetzt werden als für konventionelle Gebäude. Deshalb gelten in der Branche nachhaltige Immobilien als besonders zukunftssicher.
„War Nachhaltigkeit in den vergangenen zehn Jahren vor allem ein Lippenbekenntnis mit Marketingcharakter, wird es spätestens seit Inkrafttreten der Taxonomie und Offenlegungsverordnung für viele Finanzmarktteilnehmer zur Pflicht. Weil die Vorgaben ausdrücklich auch für Immobilienfonds gelten, hat die ESG-Regulierung direkt Auswirkungen auf den Immobilienmarkt – nicht zuletzt auch auf Objektebene. Nachhaltigkeit ist kein Nice-to-have mehr, sondern wird immer mehr zum wesentlichen Entscheidungskriterium für Investoren. Dieser Druck vonseiten des Finanzmarktes wird zu einer Neubewertung des Immobilienbestandes führen.“ Michael Schwaiger, Geschäftsführer der Schwaiger Group GmbH
Obwohl die Immobilienbranche noch vor einigen Herausforderungen steht, schlummern in dem Wirtschaftszweig enorme Potenziale. Einige Vorreiter wie die Schwaiger Group aus München zeigen, dass es sich aus ökologischer und ökonomischer Sicht lohnt, Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Andere stehen noch ganz am Anfang des Prozesses. Wer den Weg hin zu einer nachhaltigkeitsorientierten Wirtschaftsweise beschreitet, könnte von einer klaren Vision, einer soliden digitalen Infrastruktur und der Klarheit, dass jedes Projekt ein Pionierprojekt mit Lerneffekten ist, profitieren.
Die Auszeichnung in der Kategorie Green Project würdigt Bauträger, Projektentwickler und Unternehmen der Immobilienwirtschaft, die mit einem klima- und umweltfreundlichen Projekt im Bereich Wohnen oder Gewerbe nachhaltige Lebensweisen ermöglichen und fördern. So wird das nachhaltige Engagement von Immobilienunternehmen in der Branche sichtbar und erhält die Wertschätzung, die es verdient.
Informationen und Bewerbung unter www.deutscher-immobilienpreis.de.
Header Bildrechte: Foto der Schwaiger Group GmbH